Der Irrsinn von Prognosen

Zu Beginn eines jeden Jahres werde ich oft gefragt, wo ich den Da(x)chs zum Ende des Jahres sehe. Obwohl ich wenige Sachkenntnisse über unsere Tierwelt besitze, weiß ich, dass der Dachs zwar keinen Winterschlaf hält, aber eine Winterruhe und sich somit wahrscheinlich zum Ende des Jahres in seinem Bau befindet.

Natürlich ist mir bewusst, dass sich die Frage auf den Stand des deutschen Aktienindex zum Ende des Jahres bezieht. Aber ehrlich gesagt: „Keine Ahnung“. Und ich bin fest der Meinung, kein Mensch kann diese Frage beantworten.

Nehmen wir die Mitglieder des Federal Reserve Sytem, kurz FED genannt. Hier handelt es sich um die US-Notenbank. Bei kaum einer anderen Institution arbeiten so viele Doktoren und Professoren, meistens in Volkswirtschaftslehre, wie bei dieser. Trotzdem basieren die größten Wirtschaftskrisen der Geschichte auf fehlerhaften Prognosen dieser Institution bzw. ihrer führenden Mitglieder. Folgender Chart zeigt die Entwicklung des US-Leitzinses von 2000 bis Ende 2016.

Innerhalb von nur 2 Jahren erhöhte der Präsident der US-Notenbank Ben Bernanke den US-Leitzins von 1% auf 5,25%, um ihn dann 18 Monate später auf Talfahrt zu schicken. Dazu muss man wissen, dass die US-Immobilienkredite variabel sind. Eine Erhöhung oder Senkung der Zinsen hat sofort Auswirkungen auf den Kapitaldienst der Schuldner. Daß bei diesem Zinsverlauf der ein oder andere Häuslebauer seinen Kapitaldienst nicht mehr bedienen konnte, ist verständlich. Daß daraus eine Finanzkrise entsteht, rückblickend die logische Konsequenz. Dabei verfügt die US-Notenbank über alle bekannten Daten (https://www.federalreserve.gov/econresdata/statisticsdata.htm) zur Erstellung von Prognosen. Zum Glück war Ben Bernanke aufgrund seiner Doktorarbeit über die Wirtschaftskrise aus dem letzten Jahrhundert mit Finanzkrisen vertraut und hat das Zinssteuer schnell wieder in die andere Richtung zurück gedreht. Wäre er Pilot gewesen, seine Passagiere hätten wohl keinen Mageninhalt mehr. Wir als Teilnehmer am globalen Wirtschaftssystem hatten aber das Nachsehen.

Obwohl die US-Notenbank nicht mal ansatzweise weiß, was in den kommenden Monaten passiert, werden jedes Jahr Unmengen von Prognosen erstellt, die sich z.B. mit der Frage beschäftigen: „Wie wird sich der Aktienmarkt dieses Jahr entwickeln?“ Dazu hören wir dann besonders hervorragend abgeleitete Begründungen, warum der Aktienmarkt dieses Jahr steigt, fällt oder gar nichts macht.

Der wesentliche Fehler bei der Erstellung von Prognosen ist: „Wir orientieren uns am Verlauf der kurzfristigen Vergangenheit. Unser menschliches Gehirn ist einfach nicht ausreichend kreativ um sich vorzustellen, dass der zukünftige Verlauf völlig anders sein wird als die Gegenwart oder das Vergangene.

Aber schauen wir uns mal die DAX-Index Prognosen der Investmentbanken in der jüngeren Vergangenheit an.Prognose InvestmentbankenQuelle: Macrobond, Grüner Fisher Investments

Auffallend ist, dass die Schwankungsbreite der prognostizierten Veränderungen sehr gering ist. Diese beträgt zwischen 5,22% und 10,78%. Tatsächlich hat der DAX-Index seit Bestehen nur 4 mal eine jährliche Performance in dieser Bandbreite gehabt. Immerhin wurde der DAX-Index bereits 1988 eingeführt. In positiven Jahren beträgt die durchschnittliche Entwicklung über 23% und in negativen Jahren fast minus 20%. Warum weichen die prognostizierten Werte also so stark von der Realität ab? Weil die langfristige Wertentwicklung von Aktien inkl. Dividende ca. 9% beträgt. Die durchschnittliche Wertentwicklung der DAX-Performance-Index (Kursentwicklung inkl. Dividenden) ist seit Bestehen 8,8%. D.h. also eine prognostizierte Veränderung von 5,22% müssen wir schon als besonders pessimistisch deuten und eine von 10,78% als sehr optimistisch.

Soviel zur Aussagefähigkeit der Prognosen von „Experten“.

Aber es ist auch nicht so wichtig, wann der DAX-Index einen Punktestand von 20.000 haben wird. Ob dieser Stand dieses, nächstes oder erst in 5 Jahren erreicht wird, können wir nicht beantworten. Daß der deutsche Aktienmarkt diesen Stand aller Voraussicht irgendwann einmal erzielt, ist sehr wahrscheinlich.

Was viel wichtiger ist, als sich mit Prognosen über den zukünftigen Verlauf des Aktienmarktes zu beschäftigen, ist die Zeit, die man in Aktien investiert ist.

Dazu folgende Studie von Ken Fisher.Ken Fisher

In dem analysierten Zeitraum betrug die durchschnittliche Rendite des S&P 500 10,60%. Insgesamt gab es 6261 Handelstage. Wenn wir in den 50 besten Handelstagen nicht investiert gewesen wären, wäre unsere Rendite von 10,60% auf 1,80% gefallen. Wir sehen, nicht einmal 1% aller Handelstage sind für unsere langfristige Rendite verantwortlich gewesen.

Leider erzielt kaum ein Anleger die durchschnittlichen Renditen des Aktienmarktes. Warum? Weil wir uns andauernd informieren und uns an der kurzfristigen Vergangenheit orientieren und diese in die Zukunft prognostizieren. Laut einer Studie von Ilia Dichev erzielte der US-Anleger in der Vergangenheit nur die Hälfte der Rendite des Aktienmarktes. Sein Fazit ist: „ Der typische Investor steigt offenbar systematisch zur falschen Zeit an der Börse ein oder aus, lautet die Quintessenz des Ökonomen. Er kauft, nachdem es hohe Kursgewinne gegeben hat – und hält sich nach einer Baisse fern. Privatanleger, so die Quintessenz, fahren mit passiven Investmentstrategien deutlich besser. Das spart nicht nur Transaktionsgebühren, sondern vermeidet auch das Risiko, zum falschen Zeitpunkt aktiv zu werden.“

Viel zu oft lassen wir uns von falschen Prognosen verleiten und kehren dem Aktienmarkt den Rücken zu. Sicherlich ist das Gefühl 20% Kursgewinn am Aktienmarkt nicht mitgenommen zu haben weniger schlimm als einen Kursverlust von 20% zu erleiden. Aber dieses weniger schlimme Gefühl kostet uns sehr viel Geld. Wir sollten uns schon sehr sicher sein, wenn wir unsere Aktien verkaufen. Wenn wir uns nicht sicher sind, dann bleiben wir lieber investiert. Denn wer im Abschwung nicht dabei ist, der ist es auch nicht im Aufschwung. Vergessen wir nicht, nach fallenden Aktienkursen stiegen die Aktienkurse bisher immer über den vorherigen Höchststand.

Der der langfristig einen Mehrwert erzielen will, sollte sich m.E. mit folgendem Gedanken beschäftigen.

Welche Rendite werde ich langfristig in den kommenden 10-15 Jahren am Aktienmarkt erzielen? Ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ich eine stark positive Rendite erziele? Wird die zukünftige Rendite aller Wahrscheinlichkeit nach tendenziell dem historischen Durchschnitt entsprechen oder existiert eine bedeutende Möglichkeit, dass meine Investition in Aktien langfristig keine oder sogar eine negative Entwicklung haben wird?

Meine zukünftigen Beiträge über den Kapitalmarkt sollen ihnen dabei helfen, diese Fragen zu beantworten.

Aber eins schon vorab: Es sind nicht die täglichen Nachrichten, die uns bei unserer Anlageentscheidung helfen.